Machen Sie sich 2 Dinge unbedingt klar:
- Ein Lebenslauf ist nichts anderes als eine Art Werbeflyer. Nutzen Sie diesen Flyer ruhig, um zu entscheiden wen Sie interviewen – für alles weitere allerdings, ist der Wert des Lebenslaufs gering
- Wenn ein Interview nicht professionell durchgeführt wird, ist eine Aussage darüber, welcher Kandidat sich später bewähren wird, kaum zu treffen.
Was bedeutet also professionell?
Ein befreundeter Geschäftsführer bat mich vor kurzem an Interviews in seinem Unternehmen teilzunehmen und ihm im Anschluss Feedback zu geben. Die Interviews wurden von erfahrenen Mitarbeitern durchgeführt und eines sogar von ihm selbst. Ich saß ruhig dabei, ohne auch nur einen Ton zu sagen.
Was fiel mir auf?
- Die Gesprächsvorbereitung war oberflächlich
- Der Redeanteil des Interviewers war deutlich zu hoch
- Die Interviews waren nicht strukturiert
- Die Fragen waren nicht vorbereitet
- Der Gesprächsaufbau, die Herangehensweise also, war zufällig
Das hört sich recht dramatisch an, ist aber keine Ausnahme.
DEN ERFOLG VOM ZUFALL BEFREIEN!
Interviews brauchen eine Struktur, einen roten Faden und müssen einheitlich sein, von Kandidat zu Kandidat. Wie sonst wollen Sie vergleichen? Deshalb ist es notwendig Fragen vorzubereiten, die einen Rückschluss zulassen, ob die interviewte Person sich in der Aufgabe bewähren wird. Bei der Qualität von Interviews trennt sich die Spreu vom Weizen.
Das glauben Sie nicht?
Sie waren sicher auch schon einmal als Kandidat auf der anderen Seite des Tisches. Wie oft waren Sie beeindruckt von der Qualität Ihres Gegenübers, der Sie mit seinen Fragen ins Schwitzen gebracht hat? Nicht allzu häufig, darauf würde ich wetten! Vor Jahren hatten Recruiting und auch das Führen von Interviews noch einen Hauch von Magie. Heute aber gibt es unzählige Studien, die zeigen welche Faktoren Einfluss auf den späteren Erfolg eines Kandidaten in einer neuen Position haben. Die meisten Leute nehmen sich nicht die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.
Das ist ein Fehler!
Ich habe mich mit diesen interessanten Studien beschäftigt. Die meisten zeigen, dass Entscheider häufig den Fokus auf Aspekte legen, die wenig oder keine Aussagekraft haben, wie erfolgreich der Bewerber sich später in seiner neuen Position schlägt.
Was also sind diese Punkte?
BRANCHENERFAHRUNG
Erfahrung in einem speziellen Industriezweig zu haben ist natürlich „nice to have“, eine schöne Sache, aber es ist als solches kein Schlüsselkriterium, um den Erfolg eines Kandidaten daraus abzuleiten. Es stellt sich immer wieder heraus, dass Kandidaten mit Branchenerfahrung, oft auch vom direkten Wettbewerb, eingefahrene Gewohnheiten und festgefügte Glaubenssätze mitbringen. Der frische Blick eines Außenstehenden oder Quereinsteigers mit der richtigen Einstellung und entsprechenden Kompetenzen ist nicht selten die bessere Entscheidung.
AUSBILDUNG
Auch mit der Ausbildung ist das so eine Sache. Nur weil jemand fit war im Ablegen von Tests, bedeutet das noch lange nicht, dass er sich in Ihrem Unternehmen bewährt. Intelligenz ist zugegebenermaßen wichtig, aber die kognitiven Fähigkeiten, der Wille zu kontinuierlichem Lernen, entscheidungsstark zu sein oder auch die Fähigkeit neue Informationen schnell zu übersetzen und die eigene Strategie anzupassen, ist weit wertvoller.
BAUCHGEFÜHL
Natürlich macht ein entspannter „Business-Lunch“ beim Lieblingsitaliener Spaß. Häufig verlässt man ein solches Treffen auch mit einem guten Gefühl. Aber Vorsicht, in diesem Fall täuscht das gute Bauchgefühl häufig. So jetzt haben wir einige Punkte beleuchtet, die weniger aussagefähig sind, wie mancher glauben mag.
Aber was sind denn nun die wichtigen Punkte?
DAS STRUKTURIERTE INTERVIEW
Wenn Sie jedem Kandidaten die gleichen Fragen, in der gleichen Reihenfolge stellen, hat das 2 wichtige Dinge zur Folge.
- Sie erkennen den Karrieretrend eines Kandidaten.
- Sie können die Kandidaten im Vergleich zueinander bewerten.
DER SCHLÜSSEL – METHODE UND EINHEITLICHKEIT
Das kann für den Interviewer monoton und langweilig sein!
Aber es geht nicht um Ihren Unterhaltungsfaktor!
Es geht darum die beste Person für die jeweilige Aufgabe zu finden. Wenn ich mir die Fragen ansehe, die vielfach gestellt werden, dann ist das oft beliebig. Ein Muster ist nicht zu erkennen. Da wird nach dem Zufallsprinzip im Lebenslauf hin- und hergesprungen. Auf diese Art und Weise ist weder die Weiterentwicklung des Kandidaten, von Karrierestufe zu Karrierestufe, zu erkennen, noch ist herauszuhören, wie sich seine Leistung im Detail entwickelt hat. Dazu kommt, dass Ihnen ein Vergleich schwerfällt, weil Sie jedem Kandidaten unterschiedliche Fragen gestellt haben.
Natürlich ist es ermüdend und auch langweilig.
Aber nur so ziehen Sie die optimalen Informationen aus den Gesprächen.
KOGNITIVE FÄHIGKEITEN
Viel wertvoller als der IQ, sind die kognitiven Fähigkeiten des Kandidaten. Kann er gute Fragen stellen, Informationen schnell verarbeiten und sofort in seine Argumentation integrieren. Ist jemand aufgeschlossen genug, um mit Informationen, die seiner Sichtweise entgegenstehen, souverän umzugehen. Hört jemand die feinen Signale in einem Gespräch, kann er zwischen den Zeilen lesen.
Diese Fähigkeiten sind nicht leicht zu identifizieren.
Aber Sie sind entscheidend im heutigen Business Alltag
DNA
Passen die tief verwurzelten Wesensmerkmale und Charakteristika zur Kultur des Unternehmens, des Managers und des Teams. Egal wie gut der Kandidat ist, wenn er mit seinem Vorgesetzten nicht gut zusammenarbeitet, wird die Geschichte nicht funktionieren.
Werte und Charakteristika, ein Schlüsselfaktor!
KOMPETENZ
Das strukturierte Interview ermöglicht es die Kandidaten herauszufiltern, die die notwendige Kompetenz für die neue Rolle haben.
FALLSTRICKE BEIM INTERVIEW
Hier sind einige Beispiele, die in der Praxis immer wieder zu sehen sind.
- NICHT VORBEREITET
Viele Interviewer bereiten sich nicht ausreichend und frühzeitig auf das Gespräch vor. Das ist ein großer Fehler. Viel zu oft haben Interviewer bei Gesprächsbeginn keinen klaren Überblick, was den Lebenslauf des Kandidaten angeht. Das ist insofern ein großes Problem, weil Sie sich im Gespräch auf die wichtigen Punkte konzentrieren sollten. Die Punkte, die wir vorher herausgearbeitet haben. Also Karriereentwicklung, Lücken im CV, Erfolge …
Ich mache mir vorab Vermerke auf dem CV zu Fragen, die ich stellen möchte. Wo will ich intensiv nachhaken! Diese Vorbereitung dauert nicht lange, aber es macht den entscheidenden Unterschied aus, im Vergleich zur spontanen Variante.
- AM ANFANG BEGINNEN
Grundsätzlich stimme ich diesem Ansatz absolut zu. Wir wollen ja den ganzen Karriereweg verstehen. Bei Kandidaten die schon, sagen wir mindestens 40 Jahre sind, gehe ich ein wenig anders vor. Ich überlege mir vor dem Interview exakt, wo ich beginnen will. Oft ist ein erster Fokus auf die letzten 10 Jahre sinnvoll. Ich sage dem Kandidaten, dass wir an diesem Punkt beginnen und uns eventuell später mit der Zeit davor beschäftigen. Wenn der Kandidat mich mit den letzten 10 Jahren nicht überzeugen kann, macht es meist keinen Sinn, das Interview auf die frühe Phase der beruflichen Entwicklung auszudehnen. Ist ein Kandidat erst 28, starten wir logischerweise am Anfang.
- FOKUS NUR AUF DAS INTERVIEW
Es ist ein weit verbreiteter Gedankenfehler, dass ein Kandidat, der ein beeindruckendes Interview abliefert, auch ein großartiger Mitarbeiter wird. Ich habe schon erlebt, dass Kandidaten eingestellt wurden, die höchst mittelmäßig aufgetreten sind und danach phantastische Mitarbeiter im Unternehmen wurden und auch andersherum wird ein Schuh daraus.
Gerne entsteht diese „Interview-Falle“ übrigens, bei Kandidaten aus dem Sales- und Marketingbereich. Das sind in vielen Fällen große Redner und Verbalkünstler. Da sich aber immer wieder zeigt, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Interviewkompetenz und späterer Leistungsfähigkeit besteht, habe ich gelernt, das Interview nur als einen Baustein, wenn auch einen sehr wichtigen, zu betrachten.
- VORURTEILE BESTÄTIGEN LASSEN
Es ist absolut menschlich. Wir tendieren dazu Kandidaten zu bevorzugen, die uns ähnlich sind und wir bevorzugen diese Kandidaten auch bei der Einstellung. Aus diesem Grund bilden wir uns auch schnell und frühzeitig eine Meinung über Leute und verbringen die restliche Zeit damit, Details zu finden, die unsere Annahme bestätigen. Sie machen sich in den ersten 7 Sekunden ein Bild vom Kandidaten.
Das Gehirn tut dies automatisch. Mit anderen Worten, wir entscheiden unterbewusst sofort, ob jemand ein „toller Verkäufer“ ist oder ein „durchschnittlicher Vertriebsrepräsentant“. Es macht keinen Sinn, gegen dieses Bauchgefühl zu arbeiten. Aber man kann es sich zunutze machen.
Erst in sich hineinhören, wie das Gefühl ist und dann nicht nach Bestätigung suchen, sondern nach Hinweisen, die dieses erste Gefühl in Frage stellen. Dies hat den zusätzlichen Effekt, dass wir während des gesamten Gesprächs voll konzentriert bleiben. Und es gibt einige Beispiele, in denen dieser Prozess dazu geführt hat, dass ich meine spontane Meinung revidieren musste.
- FOKUS AUF DEN CV
Den Lebenslauf als Fakt anzusehen ist ein weiterer Fehler. Oft kommen Details zum Vorschein, die dort nicht stehen und mich abhalten Kandidaten vorzuschlagen. Der CV ist wie anfangs erwähnt, im Prinzip eine Art Werbeflyer. Nicht vergessen!
- KEINE SCORECARD
Mangelnde Klarheit bezüglich der Anforderungen an die Position ist fatal. Machen Sie sich unbedingt vorab die Details klar, wonach Sie suchen. Nur so können Sie diese Punkte im Interview auch identifizieren. Wenn Sie keine Scorecard haben, ist es nicht möglich das Interview zu bewerten. Sie verschwenden also mit den Interviews nicht nur die Zeit der Kandidaten, sondern auch Ihre eigene. Meine Scorecard liegt im Interview direkt vor mir! Ich mache mir sofort Notizen. Wie sonst kann ich meine Eindrücke später konkret benennen und zuordnen? Machen Sie sich ausführliche, nachvollziehbare Vermerke. Die Entscheidungen, die davon abhängen sind viel zu wichtig.
- ZU GESPRÄCHIG
Ihr Redeanteil sollte 20% nicht übersteigen. Der Kandidat sollte den Großteil der Konversation bestreiten. Sparen Sie sich Ihre Redezeit für Anfang, Ende und für gute Fragen auf.
- BEEINDRUCKENDE TITEL UND ARBEITGEBER
Die Tatsache, dass jemand bei Microsoft, Apple oder Google beschäftigt ist, bedeutet nicht, dass er für Ihr Unternehmen einen Gewinn darstellt. Zugegeben, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, aber ich versuche diesen Punkt erst einmal aus dem Prozess herauszuhalten. Sie erinnern sich an die falschen Annahmen beim Bauchgefühl!
Dasselbe gilt für Titel. Titel sagen wenig über die wirklichen Potentiale von Kandidaten aus. Ein Marketing Direktor in dem einen Unternehmen, ist noch lange keiner in der anderen Firma.
Konzentrieren Sie sich auf Ergebnisse – RESULTS DON’T LIE –.
- FALSCHER ORT
Interviews sollten im Office, einem Konferenzraum oder in einem Hotel, wenn Sie außerhalb sind, geführt werden. Kein Business Lunch und auch kein Treffen im Café.
Wenn ein persönliches Treffen nicht möglich ist, nutzen Sie Tools wie Skype, Zoom, Webex, GoToMeeting oder Blue Jeans (Verizon). 90% aller Kommunikation ist non-verbal.
Welche Fragen sollten Sie stellen, um sicherzustellen, dass Ihr Kandidat ein Volltreffer wird?
Diese Frage beantworte ich gerne in meinem nächsten BLOG!
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