Kaum hat das Jahr begonnen liest man überall im Netz von „Robot-Recruiting“. Ein ganz neues Thema? – Nicht ganz. Aber ausgereifter und präsenter. Die Frage die uns dazu in den Sinn kommt: Fallen wir Recruiter und Personalberater nun etwa auch dem Kampf Mensch vs. Maschine zum Opfer? Algorithmus vs. Persönlichkeit und Erfahrung? Über 90% aller amerikanischen Konzerne lassen eingehende Bewerbungsunterlagen durch Analysetools bewerten, so berichtet die Presse. Zudem durchstöbern hochintelligente Robots das Internet nach geeigneten Kandidatenprofilen um die Direktansprache (Active Sourcing) zu erleichtern. Und dieser Trend erobert nun auch Deutschland?
Wir sehen das so: Schlagwort des Jahres 2015 war für uns eindeutig „Candidate Experience“. Also die Erfahrung der Kandidaten im Bewerbungsprozess. Wichtig wie wir finden, besonders in Zeiten des Fachkräftemangels. Hier geht es also um Wertschätzung der Kandidaten, schnelle Prozesse und stetige Information zum Stand der Bewerbung. Für uns Personalberater sind unsere Kandidaten das höchste Gut, umso mehr freut es uns, dass diese Erkenntnis nun auch ganz offiziell die Unternehmen erreicht.
Aber passt das ganz und gar zu dem Bild des anonymen Algorithmus, der nun die persönliche Note bei der Kandidatenauswahl ersetzen soll? Ist Recruiting nicht viel mehr als nur der Abgleich von „Tags“, also sogenannten Stichworten bei der Suche nach geeigneten Kandidaten? Diskriminierungsfreie Bewerberauswahl soll der Robot garantieren. Und ein relativ hohes Matching mit den zuvor festgelegten Auswahlkriterien. Aber macht nicht genau das unsere Kompetenz als Recruiter aus? Dass wir in der Lage sind „zwischen den Zeilen“ eines Lebenslaufes zu lesen? Dass wir unseren Kunden Feedback zum Anforderungsprofil geben und auch die „90% Matches“ vorstellen, weil Sie vielleicht noch ganz andere Skills mitbringen, die dem Kunden wichtig sind? Dass wir uns die Zeit nehmen hinter die Kulissen eines Bewerberprofils zu schauen und trotzdem sehr genau mit den Stellenanforderungen abgleichen?
Sicherlich können die „Robots“ in einigen Fällen Prozesse vereinfachen und beschleunigen, genießen somit also durchaus ihre Daseinsberechtigung. Insbesondere im Abgleich von sehr speziellen Skills können sie sicherlich von Nutzen sein. Ganz grundsätzlich aber halten wir uns für unersetzbar. Und „Robot-Recruiting“ ein Grund mehr, den Recruiting Prozess in kompetente Hände zu legen. Vielleicht liegt die Zukunft des Recruitings in der Vereinbarkeit – beide Instrumente ergänzend nutzen. Quasi ein „Mensch-Robot-Co-work“ als Erfolgsgeheimnis im Kampf um die besten Kandidaten. Denn das Thema „Candidate-Experience“ ist unserer Ansicht nach keineswegs abgedroschen und überholt, sondern vielmehr ein Dauerthema. Qualifizierte Bewerber wollen persönliche Ansprache, professionelle Betreuung, fordern schnelle Prozesse und stetige Information. Zu Recht, wie wir finden.