In einer aktuellen Bitkom-Umfrage geben 63 % der befragten ITK-Unternehmen an, dass der Fachkräftemangel ihre Geschäftstätigkeit bremsen würde. Als spezialisierter Personalberater in den Themen SAP und IT mit über 20 Jahren eigener Erfahrung in operativen SAP-/ IT-Themen und mit langjähriger Managementerfahrung sehen wir hierzu viele Zeitungs-Artikel aber eher kritisch.

Aus vielen aktuellen Gesprächen mit Personalleitern, CIOs und Bewerbern ergibt sich für uns ein aktuelles Bild, das mit dem allgemeinen Klagen aufgrund des Fachkräftemangels nur wenig gemein hat. Aktuell haben wir sicher einen Bewerbermarkt. Dies bedeutet aber nicht, dass es keine wechselwilligen Fachkräfte gibt. Wir können bei fast allen Suchaufträgen für jede offene Position mindestens 3 Bewerber oder mehr vorstellen. Es stellt sich die Frage, warum immer wieder offene Stellen nicht besetzt werden.

Aus unserer Sicht gibt es hierzu folgende Gründe:

1. Die Anforderungen der Unternehmen an Bewerber sind oft zu starr und für manche Aufgabenstellungen merklich zu hoch angesetzt. Manche Anforderungen erinnern an die berühmte „Eierlegende Wollmilchsau“. Neben möglichst vielen IT-Fachkenntnissen oder SAP-Modulen sowie jungem Alter wird oft eine hohe Reisebereitschaft gewünscht, Bereitschaft zu Wochenendarbeit, sehr gute Fremdsprachen-Kenntnisse, tiefes Brachenwissen, gutes abgeschlossenes Studium, Spezialwissen, Branchen-Know-How, wichtige Softskills und mehr – und das alles zu einem standardisierten Tarifgehalt. Realistische, praxisorientierte Anforderungen, eine Rückbesinnung auf die Key-Points der Stelle und eine Ausgewogenheit in den Anforderungen zwischen Bewerber und Unternehmen würde hier deutlich mehr Besetzungen ergeben.

2. Gerade bei großen Konzernen versucht man immer wieder Stellen für Spezialisten in ein Korsett von Tarifverträgen zu pressen, die nur wenig Spielraum lassen. Spezialwissen von schwer erhältlichen Professionals wird oft nicht entsprechend ihren Erfahrungen eingestuft und honoriert. Es ist augenscheinlich, dass durch starre Eingruppierungen die benötigten Fachspezialisten nicht besetzt werden können. Hier regelt der Markt augenscheinlich noch nicht den Preis.

3. Im Bereich Unternehmensberatungen mit Schwerpunkt IT, SAP und Prozesse entwickeln sich die Tagessätze nicht mehr wie früher. Dies hat nachhaltige Auswirkungen auf die Gehälter für Mitarbeiter und ist für Bewerber deutlich sichtbar. Früher wurde aufgrund von hohen Anforderungen und hoher Reisetätigkeit ein höheres Gehalt als in vergleichbaren Inhouse-Positionen bezahlt. Dieses „Schmerzensgeld“ gibt es seit einigen Jahren nicht mehr, die hohen Anforderungen sind aber geblieben. Es wurden in den letzten Jahren oft keine neuen Ideen generiert, wie die Life-Work-Balance besser ausgeglichen werden kann. Dies führt dazu, dass viele Consultants die Beratung nach wenigen Jahren verlassen und nur wenige neu dazu kommen. Zudem gibt es bei manchen Beratungsunternehmen noch immer das Up-or-Out Prinzip und häufige Personalreduzierungen in Krisenzeiten, was viele Bewerber nachhaltig abschreckt.

4. Die Anzahl der Informatik-Studenten lag im Jahr 1994 bundesweit laut VDI bei 9.000, im Jahr 2011 bei über 48.000. Es wird deutlich, dass unternehmensseitig zu wenig in die Ausbildung eigener neuer Mitarbeiter im Bereich IT und SAP investiert wird. In früheren Jahren wurde ein nicht geringer Teil der IT-Spezialisten in den Firmen selbst ausgebildet. Dies hat in den letzten Jahren spürbar nachgelassen und wurde auf Universitäten und Hochschulen verlagert, was dort aber nur bedingt praxisgerecht umgesetzt werden kann. Zudem sind Bachelor- und Master-Studiengänge innerhalb der einzelnen Bundesländer und Hochschulen so unterschiedlich, dass ein Wechsel zwischen den einzelnen Hochschulen nur noch schwer möglich ist. Die Gesamtausbildung ist zu komplex, mit zu hohem Zeitdruck verbunden und zu wenig praxisorientiert. Eine Lösung des Problems durch den Zuzug ausländischer IT Spezialisten sehen wir in der Praxis nicht, da gerade IT-Spezialisten aus Indien und China einen anderen Aufbau des Studiums haben und nur bedingt die deutschen Firmenprozesse und -abläufe kennen. Zudem dauert es meist mehrere Jahre, bis die sprachliche Integration erfolgt ist, was für die meisten deutschen Unternehmen zwingende Voraussetzung für eine Einstellung ist.

5. Immer mehr Konzerne möchten auch in der IT offene Stellen anfangs nur befristet besetzen. Dies ist für die meisten berufserfahrenen Bewerber ein K.O.-Kriterium. Ein Wechsel aus einer Festanstellung wird hierdurch unrealistisch.

6. Manche der suchenden Unternehmen haben ländliche Standorte. Diese sind für IT- Spezialisten meist nicht favorisiert. Dieses Problem kann nur gelöst werden, indem Firmen an diesen Standorten IT- und SAP-Spezialisten selbst regional ausbilden.

Die spürbaren Auswirkungen für Unternehmen bei Nicht-Besetzungen von Spezialisten in IT- und SAP-Themen sind heute eine Basis für temporäre Projekt-Besetzung mit Freiberuflern oder Interim Managern zu hohen Stundenpreisen, die deutlich außerhalb der Tarifgehälter liegen. Für jedes Unternehmen und jeden CIO ist aber gerade ein mittel- und langfristiger Know-How-Aufbau und -Erhalt ein wichtiger und kostenschonender Erfolgsfaktor.

Ergebnis:

Aus unserer Sicht sind leider hierzu viele Schwierigkeiten bei der Besetzung von IT- und SAP-Spezialisten hausgemacht. Es scheitert meist nicht an den vorhandenen Fachkräften, sondern an zu hohen Anforderungen und zu wenig Flexibilität bei den Gehältern.

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