Gibt es bei uns künftig tatsächlich eine Bewerberauswahl oder Karriereentscheidung durch Computer? Oder ersetzt gar Big Data die Recruiter?

Mehrere Großkonzerne und Softwarefirmen bewerten bereits heute Bewerber oder Mitarbeiter auf Basis von vorhandenen Daten oder Informationen aus Social Media Portalen. Bislang war dies eine Frage der verfügbaren Zeit und des Know-Hows des Recruiters, künftig wird es immer stärker zur Frage der eingesetzten People Analytics-Software und der gesammelten Big Data, um die Potentiale von Bewerbern und eigenen Mitarbeitern besser einschätzen zu können. Es ist schon länger bekannt, dass Mitarbeiter aus Personalabteilungen auch freiwillig veröffentlichte Informationen von Bewerbern auf Facebook, Twitter und anderen Plattformen teilweise verwenden.

Aktuell wird bei vielen Softwarefirmen und in HR-Foren die Zukunft von People Analytics Programmen und den zugehörigen Algorithmen leidenschaftlich diskutiert:

Welche Schritte sind bei der Auswahl von Bewerbern, bei Karriere-Entscheidungen, bei Gesundheitsbeurteilungen und Mitarbeiterbindung bzw. zur Motivation möglich oder notwendig? Auch Leistungsprofile von Mitarbeitern können so entwickelt oder die Effizienz geprüft werden. In deutschen Personalabteilungen und bei Datenschutzbeauftragten ist allerdings umstritten, in welchem Umfang die Verwertung von frei verfügbaren Mitarbeiterdaten und den daraus erstellten Verhaltensmustern (z.B. E-Mail-Auswertungen) genutzt werden dürfen.

Bereits heute gibt es bei mehreren internationalen Großkonzernen wie z.B. Goldman Sachs den Einsatz von Software für die Analyse der Bewerberzuschriften. Bei General Motors wird die Integration bzw. Isolierung von Mitarbeitern in Netzwerken bewertet und hierauf Gesundheitsprogramme aufgebaut. Bei Credit Suisse soll ermittelt werden, warum in einigen Fachgebieten die Fluktuation überdurchschnittlich hoch ist. Bei Google wurde sogar von Mitarbeitern verhindert, dass Algorithmen die Karriereentscheidung beeinflussen.

Laut einer aktuellen Studie der Berliner Humboldt-Universität wissen zwar zwei Drittel der deutschen Personaler um die Bedeutung von Big Data, jedoch nutzen diese Möglichkeiten nur ca. 15 Prozent. Im Mittelstand sieht lediglich jeder zweite Personalexperte IT-Kenntnisse als wichtig für seine strategischen Aufgaben und die systematische Nutzung von Big Data in Personalbereichen ist immer noch sehr gering.

Gegen derartige Orwell-Szenarien gab es bereits verschiedentlich Proteste von Beschäftigten. Das Unbehagen ist allseits zu spüren. Noch können die Spielregeln hierzu entsprechend festgelegt werden, und darum wird es wohl in den nächsten Schritten mit diesen neuen Instrumenten gehen. Letztendlich ist es heute schon nicht mehr die Frage, ob ein Paradigmenwechsel kommen wird, sondern in welchem Ausmaß und in welchen Schritten.

Sicher ist aber inzwischen, dass ein Teil der Personalbereiche interne und externe Daten und Informationen für Beurteilungen heranzieht. Die Frage, die hieraus resultiert, ist aber, ob Computer, Software und Algorithmen künftige Personaler ersetzen können bzw. wie transparent Mitarbeiter und Bewerber künftig werden.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung in der Besetzung von Spezialisten und Managern in unterschiedlichen Umfeldern vertrete ich die Meinung, dass nicht nur rationale Informationen zu einer soliden Bewertung gehören, sondern auch eine „emotionale“ Bewertung, die jede Entscheidung letztendlich immer stark beeinflusst. Ohne diese Gesamtbetrachtung, die die Persönlichkeit von Bewerbern, Vorgesetzten, Team und Firma abgleicht, wären Fehlentscheidungen sicher vorprogrammiert. Hier wird noch viele Jahre der menschliche Entscheidungsfaktor, das Bauchgefühl und die Menschenkenntnis eine wichtige Komponente für Recruiter bleiben.

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