Diese Nachricht erfreut: Erstmals hat der durchschnittliche Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der größten öffentlichen Unternehmen die 30-Prozent-Marke geknackt. Damit liegt er relativ gleichauf (30,9 Prozent) mit dem durchschnittlichen Frauenanteil in den Aufsichtsräten im DAX, MDAX, SDAX und Reg. Markt und ca. 5 Prozent unter den Unternehmen im DAX-30.

FidAR Stammtisch

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Das ist das Ergebnis des sechsten Public Women-on-Board-Index (Public WoB-Index) von der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR). Das Ranking ist die größte repräsentative Studie zur Diversity im öffentlichen Sektor und auf Bundes- und Landesebene nach ihrem Frauenanteil in Aufsichtsgremien und Top-Management-Organen sortiert. Seit Januar 2016 ist für börsennotierte und paritätisch-mitbestimmte Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsgremien verbindlich vorgeschrieben – so will es das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“. Bereits der Women-on-Board-Index 185 (WoB-Index 185) vom Mai dieses Jahres zeigte, dass alle von der Quote betroffenen Unternehmen, die ihre Aufsichtsräte neu gewählt haben, einen Frauenanteil von 30 Prozent oder mehr erreicht haben. Damit stieg der Frauenanteil insgesamt in diesen Unternehmen von 21,3 im Januar 2015 vor der Einführung des Gesetzes auf aktuell 33,9 Prozent. Die Frauenquote zeigt also langsam Erfolg, vor allem in solchen Unternehmen, in denen sie verbindlich gilt. In Aufsichtsräten ohne vorgegebene Geschlechterquote werden weiterhin deutlich weniger Frauen gewählt. Das ist schade und nicht zeitgemäß. Und: Die Erhebungen offenbaren auch den dringenden Handlungsbedarf, der besteht. Denn 122 der 185 börsennotierten Unternehmen – also 65,9 Prozent – haben noch immer keine einzige Frau in ihrem Vorstand. Und bei den Top-Managementorganen in öffentlichen Unternehmen sank der Frauenanteil sogar leicht: von 18,8 Prozent in 2018 auf 18 Prozent in 2019. Und das trotz des politisch vorgegebenen Ziels, die gleichberechtigte Teilhabe gerade in öffentlichen Unternehmen durchzusetzen.

Kandidatinnen für anspruchsvolle Führungspositionen im technologieorientierten Umfeld zu finden – das war 2019 auch in der Personalberatung keine leichte Aufgabe. Zwar wird es erfreulicherweise insbesondere größeren Unternehmen zunehmend wichtiger, ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Führungspositionen anzustreben – in der Realität aber kommen auf die Bewerbung einer Frau oftmals mindestens neun männliche Kandidaten. Das zeigt, dass hier noch viel Luft nach oben ist – sowohl für Unternehmen, noch ambitionierter Führungsfrauen zu entwickeln, aber auch für Frauen, sich zu zeigen und wirksamer zu vernetzen.
Besonders enttäuschend sind die WoB-Ergebnisse der Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, das Top-Managementorgan und die obersten zwei Managementebenen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor: 69 Unternehmen der Privatwirtschaft, die derzeit keine Frau im Vorstand haben, gaben an, auch zukünftig mit einer Zielgröße Null zu planen, d.h. also am Status Quo eines frauenfreien Vorstands nichts ändern zu wollen.
Und von den 124 öffentlichen Unternehmen, die eigentlich eine Vorbildrolle in Sachen Diversity haben sollten, legten 72 erst gar keine Zielgröße fest. Und bei 26 weiteren lag sie sogar noch unterhalb des jetzigen Frauenanteils.

 

FidAR Stammtisch

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Damit wird deutlich: Es ist an der Zeit zu handeln. Denn dass es genügend qualifizierte und hochkompetente Frauen für verantwortungsvolle Führungspositionen in Deutschland gibt, ist unbestritten. Was wir brauchen, ist ein noch stärkerer Fokus der Unternehmen auf Diversity und eine noch bessere Sichtbarkeit und Vernetzung potenzieller Kandidatinnen. Den Unternehmen der öffentlichen
Hand muss hierbei eine Vorbildrolle zukommen, aber auch die Privatwirtschaft muss endlich noch stärker handeln. Um die weiterhin bestehenden Defizite zu beseitigen, ist die Ausweitung der gesetzlichen Frauenquote auf alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen notwendig. Denn langfristig kann das Ziel nur lauten: 50 Prozent Teilhabe von Frauen in Leitungsfunktionen – nur so kann wirkliche Gleichberechtigung hergestellt werden.

 

Ines Thoren

Ines Thoren

Ines Thoren

Partnerin der QRC Group Personalberatung

Berlin

Tel: +49 30 65763730

E-Mail: ines.thoren@qrc-group.com